Postraub in England
„Die Gentlemen bitten zur Kasse“
8. August 1963, 03:05 Uhr, Sears Crossing, nahe Cheddington (Buckinghamshire), England: 16 maskierte Gangster stoppen den Postzug Glasgow-London und erbeuten 2.631.684 £ (heute ca. 47 Mio. Euro)
Bruce Reynolds, damals 32, hatte die Idee, den Nachtzug auf freier Strecke bei Cheddington (Grafschaft Buckinghamshire) anzuhalten – mithilfe eines Handschuhs! Den zog einer der Räuber über das auf Grün stehende Streckensignal. Es war 3.10 Uhr.
Mit einer Eisenstange wurde der Lokführer niedergeschlagen, das übrige Zugpersonal gefesselt. Dann fuhr die Bande mit dem Zug zur Bridego Brücke, wo die Bahnlinie die Landstraße überquert. Der Zug stoppt. Nun stürmen 8 Räuber den Waggon Nummer zwei. Mit Äxten und Spitzhacken bahnen sie sich ihren Weg und überwältigen die verängstigten Postbeamten, die sich auf den Boden legen müssen. Dann brechen die Räuber mit einer Axt das Schloss zum hinteren Teil des Waggons auf, wo über 120 Postsäcke liegen. Die Männer formen eine Menschenkette bis zur Böschung der Bridego Brücke und schaffen in wenigen Minuten 108 der schweren Säcke aus dem Waggon. Unter der Brücke sammeln weitere Männer die Säcke auf und laden sie auf bereitstehende Landrover und einen LKW. Der Überfall dauert 15 Minuten.
Nach wenigen Monaten war die meisten der Männer gefasst – und zu harten Strafen verurteilt. Der Großteil der Beute ist bis zum heutigen Tag verschwunden.
Hier die Kurzbiographie der bekanntesten Räuber:
Kopf der Bande: Bruce Reynolds (7.9.1931 – 28.2.2013)
Unstrittig das „Superhirn“ der Bande, leitete den Überfall. Entging der Festnahme über 5 Jahre lang durch Flucht über Frankreich und Mexiko, Festnahme erst am 8. November 1968 in einer gemieteten Villa in Torquay, England. Am 14. Januar 1969 zu 25 Jahren Haft verurteilt. Am 6. Juni 1978 wieder freigekommen. 1984 wegen Drogenbesitz erneut zu drei Jahren Haft verurteilt, 1985 vorzeitig entlassen. Seitdem Buchautor, Filmberater („Buster“) und „Berühmtheit“. Sein Buch „Autobiography of a Thief“ erschien 1995, 2000 in Neuauflage. Auch gelegentlich TV-Gast in Deutschland, zuletzt Anfang 2007 bei „Galileo Mystery“. Zuletzt lebte Reynolds verarmt in Süd-London und wurde von einer Wohltätigkeitsorganisation unterstützt.
Weltberühmt: Ronny Biggs (8.8.1929 – 18.12.2013)
Brachte den pensionierten Lokführer mit ins Team. In Aylesbury 1964 zu 30 Jahren Haft verurteilt. Wurde durch seine spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis am 8. Juli 1965 und sein jahrzehntelanges Exil in Brasilien weltberühmt. 1971 scheiterte der Versuch der englischen Behörden, ihn festzunehmen, da Biggs ein Kind mit einer Brasilianerin gezeugt hatte, welches ihn nach brasilianischem Gesetz vor der Auslieferung bewahrte. Kehrte nach mehreren Schlaganfällen am 7. Mai 2001 nach England zurück und verbüßte den Rest seiner Strafe in einem Gefängnishospital. Diverse Gnadengesuche wurden von den Justizministern abgelehnt. Seit 2007 kann er nicht mehr sprechen. Am 7. August 2009 wurde er schließlich doch noch wegen seines schlechten Gesundheitszustandes begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen. Biggs lebte bis zu seinem Tod in einem Altenheim.
Zuletzt Blumenhändler: Ronald „Buster” Edwards (27.1.1931 – 29.11.1994)
Entging der Fahndung lange, lebte dabei eine Weile mit Reynolds zusammen in Mexiko. Stellte sich 1966 aus Heimweh den englischen Behörden und wurde zu 15 Jahren verurteilt. Betrieb nach seiner Entlassung im April 1975 einen Blumenladen am Waterloo-Bahnhof in London. Wurde durch den Film „Buster“ mit Phil Collins in seiner Rolle bekannt. 1994 erhängt in seiner verschlossenen Garage aufgefunden. Als Ursache werden finanzielle Sorgen vermutet.
Unvergessen: Horst Tappert
Der „Straßenfeger“ des NDR “Die Gentlemen bitten zur Kasse” erzielte bei seiner Erstausstrahlung im Februar 1966 mit die höchsten Einschaltquoten der deutschen TV-Geschichte. Horst Tappert (26.5.1923-13.12.2008), Günter Neutze, Siegfried Lowitz und viele andere bekannte Darsteller jener Zeit liefen in der Verfilmung des Postraubes zur Hochform auf.
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