Der „Ellwanger Kreis“: Vorarbeiter unseres Grundgesetzes.
Am 1. März 1947 trafen sich in Baden Württembergs Kleinstadt Ellwangen rund zwei Dutzend Politikern aus CDU, CSU und SPD sowie Kirchenvertreter. Dieser „Ellwanger Kreis“ war zu Beginn ein lockeres Diskussionsforum von christlichen Politikern und Führungspersönlichkeiten des Nachkriegsdeutschlands.
Zu den Initiatoren gehörten so bekannte Namen wie der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer, der spätere Außenminister Heinrich von Brentano, der spätere Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier oder der Publizist Eugen Kogon (“Der SS-Staat”).
Ziel des unregelmäßig tagenden Forums war es, die Wiedervereinigung Deutschlands auf föderativer Grundlage in die Wege zu leiten. Anfangs beschäftige sich der Kreis noch mit Abstimmungsfragen, die sich aus der Tatsache der Zonenaufteilung der Siegermächte ergaben. Ab Ende 1947 bis 1949 standen dann Fragen einer Verfassung für ein gemeinsames Deutschland im Vordergrund der Beratungen.
Ein “Arbeitskreis zur Vorbehandlung von Verfassungsfragen”, initiiert von Walter Strauß, Staatssekretär im Hessischen Staatsministerium, erarbeitete “Grundsätze für eine deutsche Bundesverfassung”. Allein der Titel deutete schon indirekt auf die Bezeichnung “Bundesrepublik Deutschland” hin. Zwar gab es ein klares Bekenntnis zum Föderalismus, aber man ging im Entwurf noch nicht ins Detail. Und dennoch legte der Ellwanger Kreis im Laufe seiner Arbeit weite Teile einer zukünftigen Bundesverfassung fest.
Die fünfte Sitzung in Bad Brückenau … und die einzige außerhalb Ellwangens.
Der erwähnte Entwurf, der auch die Aufnahme der Menschenrechte in die Verfassung vorsah, wurde dann am 13. April 1948 in Bad Brückenau (Lkr. Bad Kissingen) im historischen Kuppelsaal des heutigen Dorint Hotels eingehend diskutiert. Kein geringerer als Konrad Adenauer führte den Vorsitz.
Bei diesem Treffen wollte man die Grundlagen einer deutschen Verfassung zum Abschluss bringen, was allerdings nicht ganz gelang, weil aktuelle politische Entwicklungen noch nicht eingearbeitet waren. Dennoch fand der größte Teil des „Ellwanger Verfassungsentwurfes“ Eingang in das spätere Grundgesetz.
Das Treffen im bayerischen Staatsbad war übrigens das am stärksten besuchte. Nach Quellen des “Sozialdemokratischen Pressedienstes” waren fast das komplette bayerischen Kabinett unter Leitung des damaligen Ministerpräsidenten Josef Müller und den Ministern Hanns Seidel und Alois Schlögl sowie 37 weitere Teilnehmer, darunter etliche Ministerpräsidenten, angereist.
Es war auch das einzige Treffen außerhalb Ellwangens. Warum man sich ausgerechnet für die Kleinstadt direkt an der hessischen Grenze entschied ist unklar. Ein Grund war wohl die zentrale Lage in Deutschland. Vermutlich lag es auch daran, dass die meisten Großstädte noch in Schutt und Asche lagen. Trümmerlandschaften sind wenig inspirierend, um wichtige Weichenstellungen für eine zukünftige Bundesrepublik Deutschland zu erarbeiten.
„Deutschland soll ein Bundesstaat mit der Bezeichnung – Bundesrepublik Deutschland – sein.”
Inhalte der Beratungen in Bad Brückenau, von denen es kein Protokoll gibt, wurden nur in Mitschriften einzelner Teilnehmer festgehalten. Im Nachlass von Walter Strauß findet sich allerdings eine maschinengeschriebene, siebenseitige Abschrift seiner Notizen.
In dem Manuskript mit der Überschrift „Grundsätze für eine Deutsche Bundesverfassung – Vorschläge für die CDU/CSU Arbeitsgemeinschaft“ findet sich gleich unter Punkt 1 „Bundesstaatliche Grundlagen“ der Satz „Deutschland soll ein Bundesstaat mit der Bezeichnung – Bundesrepublik Deutschland – sein. Die Gliedstaaten des Bundes sind die Länder.“ (Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.).
Autor: Erhard Belz
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